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Oberstudienrat Heinz Laue

Vom Probeunterricht an der Oberschule bis zum Abitur am Gymnasium Sulingen

Erinnerungen an meine Schulzeit 1956 bis 1965

Probewoche

Zum einwöchigen Probeunterricht nach den Weihnachtsferien 1955/56 erschienen dreißig Viertklässler im Klassentrakt Vogelsang/Amselweg der Volksschule Sulingen, heute: Grundschule Schmelingstraße. Diese Viertklässler waren beheimatet in dem Gebiet zwischen Uchte und Syke, Wietzen und Barver, aber hauptsächlich in Sulingen. Unter ihnen befand ich mich, Heinz Laue aus Vorwohlde.
Untereinander kannten wir uns noch nicht. Wir waren alle bestrebt, die „Oberschultauglichkeit" zu erbringen. Auch wurde ein Konkurrenzdenken von Seiten der Lehrer eher noch gefördert. Disziplinprobleme während des Probeunterrichts gab es nicht: Jeder wollte oder sollte ja die Zulassung erreichen. Es hielten sich stets mehrere, uns unbekannte Lehrer im Raum auf: Einer unterrichtete, andere saßen hinten und fertigten Notizen an.
Zu den schriftlichen Arbeiten (Diktat, Aufsatz und in Mathematik) an den sechs Schultagen – der Sonnabend war selbstverständlich Unterrichtstag – kamen noch kleine Vorträge und andere Einzelaufgaben, die abschließend eine individuelle Beurteilung zuließen. Natürlich wurde auch die aktive Mitarbeit im Unterricht bewertet.
Da die Geburtsjahrgänge 1945 und 1946 bundesweit bis heute sehr schwach vertreten sind, - oder waren wir so gut? - sahen wir uns nach Ostern, also zu Beginn des Schuljahres 1956/57, alle als dritte und jüngste Klasse der Oberschule i. E. in Sulingen wieder.

Vielseitige Lehrer

Von echtem Fachunterricht konnte zunächst nicht gesprochen werden: Herrn Lembcke erlebten wir nicht nur in Mathematik und Physik, sondern auch in Sport. Im Sommer ging es zum Fußballspielen in das „Bürgerparkstadion", seltener wurde Leichtathletik betrieben. Das Freibad war noch nicht beheizt, also höchstens bei ganz heißen Sommertemperaturen ein erstrebenswertes Sportunterrichtsziel. Die Turnhalle befand sich in der Südstraße, dort, wo heute das DRK und die Feuerwehr ihr Domizil haben. Viele Kinder aus den kleinen Dörfern sahen hier zum ersten Mal die Sportgeräte Reck, Barren, Pferd und Kasten und hatten entsprechend Respekt vor ihnen. Herr Lindemann vertrat außer Latein und Religion auch das Fach Deutsch. Bei ihm lernten wir viele Opern-Arien kennen; nicht vom Plattenspieler, er selbst trug sie uns gekonnt vor. Frau Altevogt sprach mit uns bald nur noch englisch, auch in Erdkunde; schon sehr früh ein „bilingualer" Unterricht.

Musik statt Singen

Der Musikunterricht fand in der angrenzenden Volksschule statt. Herr Dirksen ließ uns für die Zeugniszensuren einzeln vorsingen. Das ging vor allem bei uns Jungen nicht ohne Schwierigkeiten ab, manchmal nur mit Tränen, und es endete öfter mit „mangelhaft" als Zeugnisnote.
Erst als uns Herr Sachtleben im 7. Schuljahr erklärte, dass er „Musik" und nicht „Singen" unterrichte, hatten wir chronischen Falsch-Sänger eine Chance, durch theoretische Kenntnisse in „Dur und Moll" eine akzeptable Zensur zu erarbeiten.
Auch den Werkraum der Volksschule nutzten wir. Herr Roepke legte großen Wert auf praktische Arbeiten mit unterschiedlichen Materialien. Das sei wichtig für uns „kopfgesteuerte" Oberschüler. Eine Holzeisenbahn mit Lokomotive, Kohlenwagen und mehreren Güterwaggons war ein Produkt des Werkunterrichts. Sie hat meine Kinder- und Jugendjahre überdauert und erinnert mich noch heute an meine eigenen handwerklichen Tätigkeiten.

Blick nach Osten

Zum Religionsunterricht erschien Pastor Galleiske aus Scholen. Außer biblischen Geschichten waren unzählige Lieder aus dem Kirchengesangbuch von uns auswendig zu lernen und vorzutragen, so dass ent-sprechende Forderungen im Konfirmandenunterricht ein paar Jahre später leicht zu erfüllen waren.
Ebenfalls ab dem 7. Schuljahr, als die Schule mit je einer Klasse die Jahrgänge 5 bis 9 umfasste, erteilte uns Herr Wunschik Deutsch-, Geschichts- und Erdkundeunterricht. Er lehrte uns intensiv, dass Deutschland nicht nur aus West- und Mitteldeutschland bestehe, sondern auch der östlich von Oder und Neiße gelegene Teil mit Ostpreußen und vor allem Schlesien dazu gehöre. Bei ihm war in deutscher Geschichte der Weg von Bismarck zu Adenauer sehr kurz, mit auslassenden Sprüngen über die Weltkriege und das „III. Reich" hinweg. – Aber er dokumentierte das Schul- und Klassenleben intensiv mit seiner Kamera.

Leseförderung

Dass Sulingen schon damals nicht unbedingt ein begehrter Lehr-Ort gewesen ist, zeigt sich an der großen Fluktuation innerhalb des Lehrerkollegiums. Ein kurzes, wenngleich mir intensiv in Erinnerung gebliebenes Gastspiel gab das Ehepaar Gramse in Englisch und Deutsch. Klasseninterne Wettbewerbe im Vokabellernen und mündlicher Beteiligung mit echter Preisverleihung zu Weihnachten und Ostern spornten uns heftig an und ließen manche „trockene" Unterrichtsstunde spannender verlaufen als zu erwarten war.
Das heute oft propagierte Lesen von Büchern forcierten Gramses im Deutschunterricht schon damals. Sie gaben Beurteilungsregeln an uns Schüler aus, und wir durften eigenständig unsere Leseleistungen bewerten. Bücher als Siegespreise waren sehr begehrt.

Endlich im Neubau

Von Jahr zu Jahr wuchs die Klassenzahl in der Schule an. Bald reichte nicht mehr der eine nördliche „Finger" der Volksschule, der zweite kam hinzu. Am Ende der beiden Klassentrakte befindet sich heute die Stadtbücherei.
Unser Schulhof war anfangs ein großer Erdhaufen, herrlich für verbotenes Spielen, ein Überrest der gerade fertig gestellten Volksschule. Jetzt ist er ein Parkplatz.
Mitte Juni 1958 wurden wir Schüler Zeugen der offiziellen Grundsteinlegung unseres Schulgebäudes an der Schmelingstraße. Oberkreisdirektor Dr. Brunow mauerte die Messinghülse in die Wand des damaligen Lehrereingangs, heute am Fensters des Raucherzimmers. Im September 1959 trugen wir das Mobiliar aus unserer bisherigen Schule hinüber in den Neubau. Es ging ein ganzer Unterrichtstag drauf mit Aus- und Einräumen und Säubern des verlassenen Gebäudeteils. Endlich in der eigenen Schule, jetzt Progymnasium geheißen!

Kakao und Küsschen

Bei der feierlichen Einweihung beteiligten sich die Sänger im Chor vorn auf der Bühne, wir übrigen Schüler saßen in der letzten Reihe, weit weg vom Podium, aber erhöht - ein eindrucksvoller Vormittag, auch für uns junge Menschen.
Es gab nun eigene Fachräume in einer uns gehörenden Schule, aber wir mussten für den Sportunterricht weiterhin die Volksschulturnhalle benutzen.
Ein „Kiosk" ergänzte die Ausstattung des Hauses: Unser langjähriger Hausmeister Herr Borgstedt verkaufte warmen und kalten Kakao und Milch in Pfandflaschen aus der Sulinger Molkerei. Mädchen der 7. oder 8. Klasse halfen ihm dabei. Probleme mit zerschlagenen Flaschen oder verschüttetem Kakao ergaben sich kaum.
Insgesamt ging es sehr gesittet zu. Anordnungen von Lehrern oder Hausmeister wurden befolgt. Unsere Kleidung war zweckmäßig und dezent. Das „Kniefrei" der Mädchenröcke galt schon fast als „shocking", Händchenhalten war verpönt. Als ein angehender Abiturient sich Anfang der 60er Jahre auf der Langen Straße von seiner Freundin mit einem Küsschen verabschiedete, hatten Sulingen und das Gymnasium fast einen Skandal.

Weihnachtsfeiern und Päckchen nach drüben

Mit „sehr beeindruckend" lassen sich die vorweihnachtlichen Feiern kennzeichnen, die unter der Leitung von Herrn Lindemann und der Mitarbeit des Ehepaars Sachtleben alljährlich in der evangelischen Kirche durchgeführt wurden. Schüler trugen messianische Weissagungen, die zur Geburt Christi hinführten, im Altarraum vor.
Orchester, Chor und Solisten passten zum feierlichen Rahmen und erzeugten eine weihnachtliche Stimmung. Wir Schüler arbeiteten begeistert an der Aufführung mit, weil uns das Zusammenspiel vieler Jugendlicher und Erwachsener vor zahlreichem Publikum im würdigen Rahmen der Kirche in seinen Bann zog.
Zum Gedenken an den Aufstand in der DDR am 17. Juni 1953 veranstaltete die Schule unter Einbeziehung des „Kuratoriums Unteilbares Deutschland" viele Jahre eine Feierstunde in der Pausenhalle. Auch packten wir Päckchen und Pakete vor allem zu Weihnachten für Familien in der DDR. So entstanden über Jahre Briefpartnerschaften zu Menschen in einem „fernen Land" (nach einem Buchtitel von Marion Gräfin Dönhoff).

Wandern, Opern und ein kurzer Rock

Da in den 50/60er Jahren ein Urlaub längst nicht für alle Sulinger Familien selbstverständlich war, erfreuten sich die schulischen Wanderfahrten auch aus dieser Perspektive großer Beliebtheit bei uns Schülern. Dass wir ein umfangreiches kulturelles Programm absolvierten, gehörte zur Pflicht. In der „Kür" gestalteten wir die geringe Freizeit je nach Alter und Taschengeld mit Spielen in der Jugendherberge oder einem Stadtbummel.
In der 7. Klasse ( 1958 ) führte uns die Tagesfahrt zu den Externsteinen mit Wanderung zum Hermanns-Denkmal, dort Geländespiel und Fahrt zum Wasserkreuz bei Minden. Wahrlich ein ausgefüllter Tag! In der 9. Klasse besuchten wir die Schaumburg und wanderten von dort zur Paschenburg.
Eine besondere Art der Tagesfahrt bescherte uns Herr Lindemann in der Oberstufe. Mit Freiwilligen aus den oberen drei Klassen organisierte er Besuche von Opernaufführungen in Hannover, um uns auch diese Art der höheren Kultur näher zu bringen, natürlich von ihm in seinem Unterricht vorbereitet. Für uns jüngste Teilnehmer gestaltete sich der nächste Schultag nach kurzer Nacht erheblich schwerer als üblich. Frau Dr. Fehsenfelds Motivationskünste waren dann sehr gefragt. Sie holte uns junge Männer im Oberstufenunterricht auf ihre eigene Weise zur Aufmerksamkeit zurück: Wenn in den letzten Stunden die Müdigkeit stark zunahm, setzte sie sich - Anfang Dreißig und mit leicht kniebedecktem engen Rock - auf das Lehrerpult und rutschte kaum merklich hin und her. Mit einem Schlag waren wir alle hellwach und arbeiteten fleißig mit.

Weinprobe und Stacheldraht

Während des heißen Sommers 1959 (8. Klasse) verbrachten wir fünf Tage in Fallingbostel mit Wanderungen in die Lüneburger Heide, Paddelbootfahren und Geländespielen. Abends gab es freien Ausgang, aber der Besuch von Gaststätten war streng verboten. Ab 22 Uhr herrschte Bettruhe. Alle Jungen schliefen in einem Zimmer. Die Anwesenheit unseres Klassenlehrers, Herrn Spreen, im gleichen Schlafraum bewirkte eine nachhaltige Ruhe.
Göttingen war das Ziel der 10. Klasse. Frau von Sternburg, kannte sich dort bestens aus, da sie an der Universität gearbeitet hatte. Der Besuch im Grenzdurchgangslager Friedland gehörte zur Pflicht und hinterließ tiefen Eindruck.
Im 11. Schuljahr zog es uns nach Niederlahnstein am Rhein. Eine Weinprobe bescherte uns einen lustigen Abend mit Herrn Kantzenbach, dem jungen Klassenlehrer, der uns im Unterricht den großen Unterschied zwischen der Arbeit und den Anforderungen in der Mittel- und Oberstufe sehr deutlich spüren ließ. Da wir sonst nicht in den Genuss einer staatlichen Wanderfahrtenförderung gekommen wären, durften wir 1963 als Unterprimaner mit der Oberprima nach West-Berlin fahren, in die von Mauer und Stacheldraht umgebene Teilstadt. Für uns Westdeutsche gab es den Durchlass nach Ost-Berlin am Bahnhof Friedrichstraße. So bestaunten wir dort gemeinsam mit Herrn Enders, unserem Kunsterzieher, den Pergamon-Altar und waren tags darauf im mit fast 90.000 Besuchern ausverkauften Olympia-Stadion Zeugen eines Fußballspiels in der ersten Bundesligasaison. Beeindruckend und beängstigend, wie eine solche Menschenmasse jeden einzelnen Besucher mitreißen kann!

Sieben Museen auf einen Streich

Die eigentliche Oberstufen-Studienfahrt führte uns im September 1964 nach München und Nürnberg. An- und Rückreise erfolgten ab und bis Nienburg im Nachtzug, so dass wir neun Tage zur Verfügung hatten. Sieben Museen, zwei Innenstädte, zwei Theaterbesuche, einen Tag als Besucher bei einem Nazi-Prozess (Wolff) sowie einen Ausflug zu den bayerischen Seen mit Wanderung vom Starnberger zum Ammersee wies das Programm dieser Tage aus -- aber auch den Samstagabend und den gesamten Sonntag zur freien Gestaltung. Da lockte einzelne erneut das Deutsche Museum, aber die meisten die Innenstadt und das Oktoberfest.
Apropos Alkohol: Abends erschien Herr Hildebrand immer zur Anwesenheitskontrolle im Zimmer und wehe, er entdeckte bei jemandem eine „Fahne". So entleerte er auch eine Flasche Gordon's Dry Gin durch den Waschbecken-Abfluss mit intensivem Nachspülen! „Die erhalten Sie von mir erstattet, wenn Sie das Abitur bestanden haben. If – konditional, nicht when – temporal!!!" so „Gregor", und Herr Hildebrand hat Wort gehalten.
Zur Strafe „durften" wir in der JH Nürnberg auf der Burg zwei Tage später mehrere Stunden lang in einer schriftlichen Ausarbeitung über unser ungebührliches Verhalten nachdenken.

Abituraufgaben an der Tafel

Dennoch wurde Ende Februar 1965 allen das Zeugnis der Reife und damit die Befähigung zum Studium zugesprochen. Aber auch vor vierzig Jahren waren die Abituranforderungen schon einem ständigen Wandel unterworfen, wenngleich nicht so schnell wie heute. Unsere beiden Vorgängerjahrgänge hatten noch eine schriftliche oder mündliche Abiturprüfung in dreizehn Fächern zu befürchten, zumindest theoretisch.
Da für uns der Unterricht in Geschichte, Erdkunde, Physik, Biologie und Musik am Ende des 11. Schuljahres zwangsweise beendet war, gab es nur noch zehn Unterrichtsfächer in den letzten beiden Jahren.
Mit dieser Konzentration sollte eine Vertiefung des Wissensstoffes und eine höhere Studierfähigkeit erreicht werden, ohne ein zu frühes Spezialistentum zu fördern.
Am neusprachlichen Gymnasium wie in Sulingen begann das Abitur am Ende der zwölften Klasse mit der schriftlichen Prüfung in Mathematik. Im damaligen Zeichensaal (2. Stock über dem Lehrerzimmer, heute Musiksaal) hatten wir sechs Unterrichtsstunden Zeit, uns mit analytischer Geometrie und Algebra auseinanderzusetzen. Dazu wurden die Aufgaben von Herrn Spreen an die Tafel geschrieben, von uns sauber auf das Papier übertragen und gelöst. Als Hilfsmittel durften wir Logarithmentafel und Rechenschieber benutzen, aber keine Formelsammlung. Taschenrechner gab es zu dieser Zeit noch nicht. Zwei Lehrer beaufsichtigten uns ständig. Das Abitur hatte absoluten Vorrang vor dem unterrichtlichen Tagesgeschehen.

Sportprüfung war Pflicht

Im Januar 1965 - der Schuljahreswechsel vollzog sich damals zu den Osterferien - schlossen sich die schriftlichen Abiturprüfungen am Ende des 13. Jahrgangs in Deutsch, Englisch, Latein und - sofern gewählt - auch in der 3. Fremdsprache Französisch an.
Im Februar folgte die Zwangs-Sportprüfung für alle Abiturientinnen und Abiturienten. Geräte- und Bodenturnübungen sowie ein Spiel mussten unter den weniger strengen Blicken Herrn Kösters, des Sportlehrers, sowie des Schulleiters Herrn Lembcke absolviert werden.
Auf Ende Februar war der Tag der mündlichen Prüfung festgesetzt. Da für alle Lehrer die Anwesenheitspflicht galt, fiel der übrige Unterricht aus. Der Musikraum wurde hergerichtet, und die dreizehn Prüflinge marschierten in dunklen Anzügen und schwarzen Kostümen ein, angeführt von Frau Galad, der Klassenlehrerin. Erst jetzt erfuhr jeder Schüler, in welchen Fächern er an diesem Tag geprüft wurde.
20 – 25 Minuten können in einer mündlichen Prüfung im Beisein des gesamten ebenfalls feierlich gekleideten Lehrerkollegiums und des Dezernenten aus Hannover sehr lang werden, die gleiche Zeit als Vorbereitung ist im Nu verflogen! Das gilt auch heute noch!

Ein langer Satz von Kleist

Ich „durfte" als erster in den Vorbereitungsraum: Frau Galad gab mir einen eine Seite langen Satz von Heinrich von Kleist zur Interpretation. Ihr freundliches und zustimmendes Nicken ermutigte mich während des Prüfungsgesprächs sehr. Auch damals hatten Lehrer schon unterschiedliche pädagogisch-psychologische Fähigkeiten und setzten sie ein.
Ohne mich erholen zu können, schickte man mich für die Gemeinschaftskundeprüfung bei Frau Dr. Fehsenfeld gleich wieder in die Vorbereitung. Einen marxistischen Text galt es zu analysieren.
Nach der zweiten mündlichen Prüfung konnte ich endlich zu meinen Mitschülern gehen, die natürlich gespannt auf meine Äußerungen warteten. Etwa eine Stunde später folgte der „dritte Streich": Herr Hildebrand wollte meine Englischkenntnisse überprüfen. Er verhielt sich reserviert und notierte viel, was mich in meinen Aussagen nicht sicherer werden ließ.

Dreizehn Aufrechte

Während des mündlichen Abiturs besaßen wir keine Kenntnis über die Ergebnisse der schriftlichen Prüfungsarbeiten. So hatte ich bis dahin gehofft, gar nicht mündlich geprüft zu werden, was bei überall guter Beurteilung möglich gewesen wäre. Nun stand ich innerhalb von drei Stunden dreimal Rede und Antwort – ein „heftiger Schlauch"!
Bis zum Nachmittag bestanden alle dreizehn Aufrechten – so der Titel unserer Abizeitung – die Prüfung und feierten ihren Erfolg. Traditionsgemäß schloss sich abends ein Umzug der Abiturienten an. Mit Traktor und mit Spruchbändern verziertem Anhänger fuhr die Abiturientia zu ihren Lehrern, die fast alle in Sulingen wohnten. Natürlich war jetzt genügend Bier dabei, damit die Stimmbänder alle Freuden- und Studentengesänge unbeschadet überstanden. Es gab zwar keinen Doktorhut für uns, aber der Zylinder war Pflicht.

Die Polizei auf der Bühne

Vor der offiziellen Verabschiedung in der Pausenhalle führten wir Slawomir Mrozeks modernes Drama „Die Polizei" unter Anleitung von Frau Galad auf, in dem gesellschaftspolitische Probleme mit Mitteln des absurden Theaters verfremdet dargestellt werden. Dann erhielten wir vom Schulleiter gute Ratschläge für unsere Lebensgestaltung mit auf den Weg: Der junge Mensch sei frei zu seiner Menschenbildung und solle rechten Gebrauch von dieser Freiheit machen.
Die Replik unseres Klassensprechers ließ nicht auf sich warten: Uwe Johnsons „Mutmaßungen über Jakob" lehrten, dass es notwendig sei, hinter die Fassaden zu blicken und sich seine eigene Meinung zu bilden. Auf diese Weise entließ uns das Gymnasium Sulingen Anfang März 1965 in das Leben.
Neun Jahre später kam ich, ohne es geplant zu haben und mit Vorbehalten, als Lehrer zurück an meine Schule.
So änderte sich jeweils zu Ostern der Titel unserer Schule in ihrem ersten Jahrzehnt:

1955 - 1957 Oberschule Sulingen. Öffentliche höhere Schule im Entstehen

1957 - 1959 Progymnasium im Entstehen in Sulingen

1959 - 1960 Progymnasium Sulingen

1960 - 1962 Gymnasium i. E. Sulingen. Neusprachliches Gymnasium in Entwicklung

Ab 1962 Gymnasium Sulingen. Neusprachliches Gymnasium für Jungen und Mädchen

 

Das Lehrerkollegium in den 70ern

Das Lehrerkollegium in den 70ern

Der Schulhof im Jahr 1980

Der Schulhof im Jahr 1980

Das Lehrerkollegium in den 80ern

Das Lehrerkollegium in den 80ern

Der Schulhof im Jahr 1990

Der Schulhof im Jahr 1990